Die Haptik ist fast erschlagend, so wie man es von Büchern aus dem Verlag Taschen schon erwartet. Mit 370 Seiten und im Überformat, das das Gefühl verleiht, „Little Nemo“ in einer Zeitung zu lesen – wenn da nicht das immense Gewicht des Buchs wäre – ist dieser Prachtband eine Zierde für das Regal jedes Comic-Fans. Sofern man es in selbigem überhaupt unterbringt, denn selbstverständlich ist das angesichts der Größe nicht.
Es handelt sich bei dieser Edition um eine Neuauflage, die abgespeckt daherkommt. Das ungleich teurere Buch aus dem Jahr 2014 vereinte alle 550 Folgen von „Little Nemo“, hier sind nur die 220 Seiten, die in den Jahren 1905 bis 1909 entstanden, enthalten.
Es ist eine Offenbarung, diesen Comic heutzutage zu lesen, weil man fast nicht glauben mag, was Winscor McCay vor mehr als 100 Jahren erschaffen hat. Er spielt mit der Perspektive, mit der Form, mit der Realität selbst, wenn er Nemo in seinem Schlummerland die wildesten Abenteuer erleben lässt und dabei die Konventionen der Physik außer Kraft setzt.
Vieles von dem, was McCay machte, nimmt vorweg, was Künstler Jahrzehnte später tun sollten. Er war seiner Zeit immens voraus und lotete die Grenzen des Mediums aus, was dazu führte, dass seine Werke spät wiederentdeckt wurden, dann aber die gebührende Würdigung erhielten.
Großartig ist bei dieser neuen Gesamtausgabe auch der einleitende Teil von Alexander Braun, der auf mehr als 140 Seiten die Historie des Strips, aber auch seines Schöpfers Revue passieren lässt und ein gigantisches Füllhorn an Informationen bietet. Diese Seiten sind gestaltet, als ob sie aus einer Zeitung stammen. Das ist eine spritzige Idee, die nur einen kleinen Makel hat: Die Schriftgröße der Texte ist sehr klein.
Der Comic selbst liegt im englischen Original vor. Das mag für manchen ein Ausschlusskriterium sein, aber selbst wer des Englischen nicht so mächtig ist, kann sich an der brillanten, phantasievollen Optik erfreuen.