Der Avant-Verlag macht sich um Künstler verdient, deren Werk hierzulande teils trotz großer Popularität etwas stiefmütterlich behandelt wird. Von Hugo Pratt wird CORTO MALTESE zwar in schöner Neuauflage bei Schreiber & Leser veröffentlicht, es gibt bei ihm aber ebenso wie bei Autor Hector German Oesterheld, dessen ETERNAUTA Avant auch veröffentlicht hat, noch einiges zu entdecken. So die gemeinsame Arbeit TICONDEROGA (50,– Euro), die Avant in zwei formschönen Bänden in einem sehr stabilen Schuber publiziert hat.
Der Comic entstand in den Jahren 1957 und 1959 und erzählt die historische Saga um den Kadetten Caleb Lee und den Waldläufer Ticonderoga Flint. Sie zählt zu den Meisterwerken der Neunten Kunst, ganz im Stil von James Fenimore Coopers DER LETZTE MOHIKANER oder Kenneth Roberts NORDWEST-PASSAGE. Die beiden Hauptfiguren werden in den Kolonialkrieg verstrickt, in dem Franzosen und Briten um die Kontrolle der amerikanischen Kolonien kämpfen. Ein Krieg der nächtlichen Überfälle, der plötzlichen Gewehrsalven aus dem Hinterhalt und der endlosen Verfolgungsjagden durch unbekanntes Terrain. Ein Krieg der Stille in einer unberührten Natur, nur manchmal gestört durch das Knacken von Zweigen und dem Geräusch hastig laufender Mokassins.
Der erste Band ist im Querformat gehalten und hat einen Umfang von knapp 200 Seiten. Man hat schönes, schweres Papier benutzt, das die schwarzweißen Strips sehr schön zur Geltung kommen lässt. In Farbe sind hier nur einige Cover des Magazins „Frontera“ zu sehen, die Pratt gestaltet hat.
Der zweite Band ist im Hochformat und hat gut 100 Seiten Umfang. Das Papier ist gleich, auch hier sind die ganzseitigen Strips um TICONDEROGA sehr schön umgesetzt. Neben einer Einführung gibt es hier auch einen kenntnisreichen und informativen Artikel von Avant-Herausgeber Johann Ulrich über die Blütezeit der argentinischen Comic-Szene. Dabei geht er auch auf Pratt und seine unglückliche Liebe in Argentinien ein, die ihn ein Leben lang prägte.
Im Anhang des Buches findet man noch einige Skizzen sowie farbige Cover von „Frontera“. Außerdem ist Robert Louis Stevensons Gedicht „Ticonderoga“ im englischen Original enthalten. Für deutsche Leser gibt es keine nostalgische Bindung zu TICONDEROGA, lesenswert ist dieser Abenteuer-Comic aber auch mehr als 60 Jahre nach seiner Entstehung noch immer, weil die Geschichten von Oesterheld immer auch etwas tiefsinniger waren und weil die Zeichnungen von Pratt ausdrucksstark sind und hervorragend mit dem Schwarzweiß-Kontrast spielen.