Mit ihrem Comic-Roman ENDZEIT hat die Autorin und Zeichnerin Olivia Vieweg ein interessantes Stück Zombie-Geschichte vorgelegt. Erstmals 2011 publiziert, war dies eigentlich ihre Diplomarbeit und umfasste nur 72 Seiten. 2012 folgte die erste Buchveröffentlichung, im Jahr 2018 dann die aktuellste, die mit der Ur-Form aber so viel gar nicht mehr zu tun hat.
Denn Vieweg hat den Comic massiv umgearbeitet und erweitert, so dass ein 300-seitiges Werk voller Poesie herauskam. Zeitgleich arbeitete sie am Drehbuch zum Film, der in Ko-Produktion von Arte und ZDF nun in die Kinos kommt.
Vor zwei Jahren haben Zombies die Erde überrannt. Weimar und Jena sind dank eines Schutzzauns die vermutlich letzten Orte menschlicher Zivilisation. Als Vivi (22) und Eva (26) sich zwischen den Städten schutzlos auf freiem Feld wiederfinden, müssen sie wohl oder übel gemeinsam den Kampf gegen die Untoten aufnehmen. Und damit auch gegen die Dämonen der eigenen Vergangenheit. Vivi versucht verzweifelt herauszufinden, was mit ihrer kleinen Schwester passiert ist, während Eva ihr Image als furchtlose „Zombie-Killerin“ hinter sich lassen und neu anfangen will. Auf ihrem Weg finden die jungen Frauen keine finstere Endzeit-Welt, sondern eine berauschend schöne Natur vor, die sich alles zurückerobert hat, was sie einst Zivilisation nannten. Diese mystisch-märchenhafte Dystopie birgt ungeahnte Gefahren, aber auch ungeahnte Chancen für ein neues Leben in einer neuen Welt.
Obwohl die Geschichte dieselbe ist und Vieweg sich nah an ihr Ursprungsmedium hält, sind Comic und Film doch sehr unterschiedlich, was vor allem durch die Art der Rezeption gesteuert wird. Denn wo ihr Comic eine ökologisch interessante, von leiser Poesie getragene Coming-of-Age-Geschichte ist, tritt der Film häufig auf dem Fleck. Das Problem ist, dass die ruhigen, bedächtigen Szenen im Comic der Lesegeschwindigkeit des Rezipienten unterworfen sind. Er kann schnell oder langsam Passagen erklimmen, die ruhig und vielleicht ein wenig ereignislos sind. Im Film ist man darauf festgenagelt, wie lange eine Szene, wie lange die ganze Geschichte geht.
Bilder vom Stillstand, von Bewegungslosigkeit, von einem Zustand des Eingefrorenseins funktionieren im Comic so gut, weil das ihrer Natur entspricht, im Film zieht es sich aber, wenn die Hauptfigur durch die Pampa wandert und praktisch nichts passiert. Wo die Phantasie des Lesers im Zwischenraum der aufeinanderfolgenden Panels gefordert ist, ist es beim Film schwierig, ganz und gar bei ihm zu bleiben.
Dabei ist die Geschichte interessant, weil sie dem Zombie-Genre neue Impulse abzugewinnen versteht. Hier geht es weniger um das Ende, als um einen Neuanfang, um eine Transformation der Welt, in der die Menschen leben. Sie könnten noch immer ein Teil davon sein, aber auch sie müssen sich verändern, zur Natur und zum Gleichgewicht zurückfinden, da es nur so ein Überleben geben kann. Die Zeiten des Raubbaus sind vorbei, sie haben den Menschen an den Abgrund geführt und fast vernichtet.
Das wird auch durch die von Trine Dyrholm gespielte Figur sehr schön illustriert. Die Dänin ist gut, nicht in ihrer Muttersprache zu spielen, schwächt ihre Performance aber deutlich.
Sie hat ENDZEIT in schöne Farben getaucht, macht die Natur zur dritten Hauptfigur und zelebriert die Pracht dieser Welt, die sich erst so richtig erholen kann, wenn der aggressive EInfluss der Menschheit zu schwinden beginnt. Das ist ein interessanter, in kontemplativen Szenen erzählter Stoff, der abseits typischer Zombie-Geschichten funktioniert und entsprechend auch kaum auf das visuell bekannte Repertoire des Genres zurückgreift.
ENDZEIT hat seine Schwächen, was vor allem in der Erzählstruktur begründet liegt, er hat aber auch ganz klare Stärken. Dies ist ein Film, der sich nicht an die typischen Genre-Fans wendet, sondern im Grunde mehr auf ein Arthaus-Publikum schielt, das über das, was es gerade gesehen hat, auch gerne noch ein Weilchen nachdenken möchte.