Als der Spielzeughersteller Mattel mit seinen Masters of the Universe nach dem Erfolg in den USA auch auf den deutschen Markt drängte, mussten sich diese Figuren ihren Platz in den Herzen der Kinder erst erobern. Das war hierzulande ungleich schwerer, da die ab 1984 produzierte Zeichentrickserie nicht den Weg zu den öffentlich-rechtlichen Sendern fand. Vielmehr musste man auf die Hörspiele der Firma Europa zurückgreifen, wenn man Abenteuer mit diesen Figuren nicht nur selbst ersinnen und spielen, sondern auch hören und erleben wollte. In jenem Jahr debütierte aber auch das vom Verlag Condor-Interpart publizierte Masters of the Universe Comic-Magazin.
Damit wurde einer ganzen Generation die Welt von Eternia, auf der der gute He-Man gegen den bösen Skeletor kämpfen muss, nähergebracht. Von 1984 bis 1986 erschienen zehn Magazine, die es in einem fast 600 Seiten starken Sammelband namens Masters of the Universe – Die Giganten des Universums aus dem Hause Retrofabrik erstmals seit mehr als 30 Jahren wieder zu sehen gibt.
Das Besondere an diesen Comics war und ist, dass es sich nicht um eine Übernahme ausländischen Materials handelt. Zwar hatte der amerikanische Comic-Verlag DC schon ab 1982 Mini-Comics produziert, die den Action-Figuren beigelegt waren und publizierte später auch eine eigene Reihe, der deutsche Verleger Wolfang M. Biehler setzte jedoch auf die heimische Produktion, was zu jener Zeit durchaus kühn war, gab es doch kaum professionelle Comic-Autoren und -Zeichner.
Darum wandte Biehler sich an den Autor Wilfried A. Hary (Star Gate – Das Original), der besonders im Heftroman-Bereich umtriebig war und von den Masters of the Universe noch nie etwas gehört hatte. Er fand es jedoch faszinierend, Comics zu schreiben. Immerhin hatte er in seiner eigenen Kindheit Comics geschätzt und die Werke von Hansrudi Wäscher (Sigurd, Falk, Tibor u.a.).
Weit schwieriger war es, einen Zeichner zu finden, der auch routiniert und gut genug war, um alle zwei Monate knapp 30 Seiten zu gestalten. Die Wahl fiel auf Michael Goetze, der auch heute noch zu den umtriebigsten deutschen Comic-Künstlern gehört. Damals zeichnete er an einigen Kindertiteln, die auf Fernsehserien wie Heidi oder Familie Feuerstein basierten. Er hätte die Geschichten um die Giganten des Universums am liebsten auch selbst geschrieben, Biehler war ein Vollblutautor wie Hary aber lieber.
Goetze konnte hier in einem anderen Stil als bei den auf Zeichentrickserien basierenden Comics arbeiten. Seine Zeichnungen erinnern mehr an die Superhelden-Comics jener Zeit. Zugleich hat er es aber auch geschafft, sich die Figuren um He-Man und Co. zu eigen zu machen. Freiheiten hatte er einige, mehr noch aber galt dies für Hary, da die Welt von Eternia damals noch nicht voll ausgebildet war, so dass er seiner Phantasie freien Lauf lassen konnte. In der Retrospektive erkennt man so zwar Elemente und Ereignisse, die sich mit dem Masters-Kanon beißen, dies trägt aber auch zum Reiz der Comics bei.
Jedes Magazin beinhaltete eine lange und eine kurze Geschichte – allesamt waren sie abgeschlossen. Einen übergeordneten Handlungsbogen gab es nicht. Die Geschichten arbeiten dabei mit sehr simplem Gut-Böse-Muster, weswegen sie heute vor allem noch dann funktionieren, wenn man mit reichlich Nostalgie an die Sache herangeht.
Der großformatige Hardcover-Prachtband beinhaltet alle zehn Magazine, aber auch die gut 200 Seiten der beiden Taschenbücher, deren Inhalt aber nicht aus deutscher Produktion ist. Condor-Interpart übernahm hier Geschichten aus Italien, die sich durch einen gröberen Zeichenstil, aber auch den extrem kurzen, eher humorigen Geschichten von den Hary-Goetze-Arbeiten unterscheiden.
Die Taschenbuchseiten sind restauriert, nicht aber mit der Liebe zum Detail, wie es bei den Magazin-Seiten der Fall ist. Hier wurden die Farben angepasst, wo sie nicht mit den Figuren übereinstimmten, die Seiten aber auch generell aufgefrischt. Das Ergebnis ist angesichts des Materials, mit dem man arbeiten musste – es gab keine Originale mehr, die Seiten mussten aus den Heften eingescannt werden – hervorragend. Generell ist die Ausstattung topp. Ein Vorwort von Wilfried A. Hary gibt es ebenso wie Bonusseiten aus den Magazinen und das Skript zum elften, nicht mehr gezeichneten Heft.
Masters of the Universe – Die Giganten des Universums ist Passionsprojekt, was man dem prächtigen Buch auf jeder Seite ansieht. Die Macher der Retrofabrik haben sich selbst, aber auch den Fans einen Herzenswunsch erfüllt. Wenn man diese Comics heute liest, ist das so wie eine Zeitreise in die eigene Kindheit.