In den USA wurde THE EMPTY MAN letztes Jahr quasi im Kino abgeladen – und war erfolglos. Als eine der letzten Produktionen von 20th Century Fox, bevor Walt Disney Studios die Firma aufkauften, hatte wohl keiner der Manager noch Interesse daran. Dem Misserfolg wegen entschied man dann auch, dass man den Film gar nicht erst auf physischem Medium veröffentlichen würde. In Deutschland läuft er nun bei Disney+.
Interessant ist er für Comic-Fans, weil der Film sehr, sehr lose auf Cullen Bunns aus drei Miniserien bestehender Geschichte THE EMPTY MAN basiert, die vor einigen Jahren bei Boom erschien. Schade nur, dass Autor und Regisseur David Prior nur noch die Grundidee genommen hat und ansonsten ganz eigene Wege geht. Die haben es aber zumindest in sich.
Ein Ex-Polizist sucht nach der verschwundenen Tochter einer Freundin, deren Freunde sich allesamt umgebracht haben – mit einer Botschaft, die besagt, dass der Empty Man sie dazu gezwungen hat. Die Ermittlungen führen zu einer Sekte, die etwas Sinisteres im Schilde führt.
Mit knapp 140 Minuten ist THE EMPTY MAN episches Horrorkino. Ein beeindruckender Film, der in drei Segmente unterteilt ist. Der erste Teil spielt in Bhutan und beginnt mit einem Mysterium, der zweite geht in Richtung Teenie-Horror mit Anleihen bei Filmen wie SLENDER MAN oder CANDYMAN, der dritte ist dann kosmischer Horror á la Lovecraft und von der Erzählart einem Film wie ANGEL HEART oder A CURE FOR WELLNESS nicht unähnlich.
Drei sehr unterschiedliche Erzählarten, die aber wunderbar miteinander harmonieren, da von Anfang bis Ende ein unheimliches Gefühl vorherrscht. Prior ist exzellent darin, ein Gefühl der Paranoia, aber auch Bedrohung zu erzeugen. Das macht er mit seiner suggestiven Kamera, aber auch mit dem exzellenten Sounddesign. Großartig ist die Szene, als der Polizist mitten auf der Brücke steht und plötzlich alle Umgebungsgeräusche, darunter auch das starke Zirpen der Grillen, von einem Moment zum nächsten verstummt.
THE EMPTY MAN hat ein paar schöne Schockmomente, vor allem lebt er aber von der Atmosphäre, die durchgehend vorhanden ist. Es sind einfache Mittel, mit denen hier Horror erzeugt wird – und das ist effektiver, als es bei den meisten Genre-Filmen der Fall ist.
Dieser Film hätte das ganz große Publikum verdient, und wenn es schon in den USA nicht ins Kino kam und hier nicht mal die Chance dazu erhielt, dann sollte man ihn nun jetzt wenigstens via Disney+ kennen lernen. Ein ungewöhnliches Heim für einen Horrorfilm, aber das zeigt auch nur, dass der Streaming-Dienst immer stärker auffächert in dem, was er bietet.
Mit dem Comic hat das Ganze zwar nur noch marginal etwas zu tun, der Vergleich mit Bunns Vorlage ist aber dennoch interessant, weil er zeigt, wie man sehr unterschiedlich an eine gleiche Prämisse herangehen kann.