Im ersten Abenteuer erlebt man mit, wie Cliff Secord den Raketenrucksack erhält. Deutsche Spione deponieren ihn auf der Flucht in seinem Flugzeug. Sein Freund Peevy baut ihm einen Helm. Und der Rocketeer ist geboren. Was folgt, sind Cliffs Versuche, sowohl dem FBI als auch Angestellten des Erbauers und natürlich den Nazis aus dem Weg zu gehen. All derweil hat er Probleme mit seiner Freundin Betty, die als Schauspielerin und Fotomodel arbeitet und sich schließlich entscheidet, mit dem Fotografen Marco nach Europa zu gehen. So setzt das zweite Abenteuer ein, denn Cliff folgt der Frau seiner Träume nach New York, aber durch Irrungen und Wirrungen kommen sie nicht zueinander. Während Betty sich entscheidet, nach Los Angeles zurückzukehren, muss Cliff helfen, den mordlustigen Lothar aufzuhalten, der wie er einst in einem Zirkus gearbeitet hat. Denn Lothar gibt allen damals Beteiligten die Schuld am Tod der Frau, die er liebte. Und nun will er Rache.

Sieht man sich THE ROCKETEER mit den Augen eines Erwachsenen an, dann ist das immer noch ein unglaublich dynamisches Abenteuer, das sicherlich nicht die komplexeste Geschichte zu erzählen hat, dies aber durch eine visuelle Kraft wettmacht, die derartig in den Bann zieht, dass man sich schlichtweg in den Bildern verlieren mag.

Es sind aber auch die Details und Stevens‘ Hommagen, die so hervorragend in die Geschichte integriert sind. Dass Betty genauso aussieht wie das Pin-up-Model Bettie Page, ist hinlänglich bekannt. Weniger bekannt ist aber wohl, dass für die berühmte Sequenz, in der zwei Männer Bettys Apartment stürmen und sie nackt sehen, einst B-Starlet Brinke Stevens Model gesessen hat. Für die Figur des Peevy, des besten Freunds von Cliff Secord, orientierte sich Stevens an seinem eigenen Freund und Mentor Doug Wildey.

Außerdem baute Stevens in beide Geschichten Pulp-Helden ein. Er nannte sie nicht beim Namen, da hierfür die Lizenz vonnöten gewesen wäre, aber jeder, der mit diesen Helden vertraut ist, erkennt sie auf Anhieb. In der ersten Geschichte sind dies die Freunde und Kollegen von Doc Savage, der Chemiker Lieutenant Colonel Andrew Blodgett „Monk“ Mayfair und der Winkeladvokat Brigadier General Theodore Marley „Ham“ Brooks. Peevy glaubt, dass sie in Diensten von Howard Hughes stehen, aber die populäre Theorie ist, dass Doc Savage den Raketenrucksack entwickelt hat. In der zweiten Geschichte trifft Cliff auf Lamont Cranston, besser bekannt als The Shadow. Hier nennt er sich nur Jonas und engagiert Cliff für eine gefährliche Aufgabe, aber sowohl Darstellung als auch Charakteristik ist ganz klar Cranston. Und natürlich gibt Stevens ein paar wenig subtile, aber gern gesehene Hinweise auf die wahre Identität von Jonas.

Sehr schön an „Cliff’s New York Adventure“ ist auch der Schurke Lothar, für den Stevens das Aussehen des Schauspielers Rondo Hatton (1894-1946) wählte. Hatton war kein Star, aber aufgrund seiner ungewöhnlichen Physiognomie wurde der bei den Universal Studios unter Vertrag stehende Schauspieler gerne als Schurke besetzt. Er war – wie das Marketing damals gerne sagte – ein reales Monster, für das keinerlei Make-up vonnöten war. Grund hierfür war, dass Hatton an Akromegalie litt. Die Krankheit ist auch als Gigantismus bekannt und äußert sich dahingehend, dass die Extremitäten, aber auch das Gesicht stark anwachsen und deformiert erscheinen. Hattons berühmtester Film THE BRUTE erschien 1946 – wenige Monate nach dem Tod des Giganten, dessen Herz den Riesenwuchs nicht länger kompensieren konnte. In Fankreisen ist Hatton auch heute noch bekannt, ist er doch der Namensgeber der alljährlich für herausragende Leistungen im Bereich der Phantastik verliehenen Rondo Hatton Classic Horror Awards. Und auch Dave Stevens war offenbar ein Fan.

So wie Stevens das Los Angeles der 30er und 40er Jahre ohnehin liebte. Und diese Liebe strahlt auch THE ROCKETEER aus. Er ist ein Pulp-Held, geboren in den frühen 80er Jahren, aber mit der Sensitivität einer längst vergangenen Ära ausgestattet. Die Veröffentlichung von THE ROCKETEER – THE COMPLETE ADVENTURES hat Dave Stevens nicht mehr erlebt. Er starb 2008 im Alter von nur 52 Jahren an Leukämie. Was er hinterlassen hat, ist ein von der reinen Menge her gesehen sehr kleines Werk, das jedoch ein gigantisches Vermächtnis darstellt. Denn Dave Stevens war ein Geschichtenerzähler und Illustrator, der mit THE ROCKETEER etwas geschafft hat, das wahrlich nicht vielen Kreativen gegönnt ist. Er hat etwas erschaffen, das dem Leser Inspiration ist. Und das nicht nur kleine Jungen von großen Abenteuern träumen lässt.

Von Peter

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