In den 1980er Jahren war „In Memoriam Jean DeWolff“, wie die Geschichte im DIE SPINNE TASCHENBUCH 28 hieß, der erste Story-Arc, den Peter David damals geschrieben hat. Und es ist eine Geschichte mit echtem Punch.
Alles beginnt mit dem Mord an der Polizistin Jean DeWolff, die zu jener Zeit oftmals Spider-Man geholfen hat. Als Spider-Man davon erfährt, setzt er alles daran, ihren Killer zu finden. Gleichzeitig jagt auch Daredevil den Mörder, da dieser einen Richter ermordete, mit dem der Vigilant befreundet war. Hilfe erhält Spider-Man dabei von Stan Carter, der Jeans Partner war und nun den Fall aufklären soll. Schon bald stellt sich heraus, dass es ein maskierter Killer namens Sin-Eater ist, der die Menschen für ihre Sünden bestrafen will. Nachdem sich ein falscher Sin-Eater gestellt hat, finden Spider-Man und Daredevil heraus, dass in Wahrheit Stan Carter der Killer ist. Als Spider-Man ihn stellt, flippt er aus und prügelt Carter fast tot. Aufgehalten wird er nur von Daredevil. Carter wird verhaftet und soll S.H.I.E.L.D. überstellt werden, da sein Wahnsinn auf Experimenten mit einem Serum beruht, die in seiner aktiven Agentenzeit durchgeführt wurden. Als Carter abtransportiert werden soll, will der Mob ihn lynchen. Daredevil versucht Carter zu retten und setzt auf Spider-Mans Hilfe, der ihn jedoch ignoriert. Erst als Daredevil ihn bei seinem echten Vornamen ruft, eilt ihm Spider-Man zu Hilfe.
“The Death of Jean DeWolff” ist aber nicht nur bemerkenswert, weil eine seinerzeit wichtige Figur aus dem Spidey-Ensemble den letzten Gang antrat. Sie ist auch erinnerungswürdig, weil sich Daredevil und Spider-Man ihre gegenseitigen Identitäten verraten. Es war diese Storyline, die aus den beiden Verbrechensbekämpfern so etwas wie Freunde gemacht hat. Und dabei erwies Daredevil dem Spinnerich den größten Dienst, den er wohl geben konnte: Er hielt ihn davon ab, zum Mörder zu werden. Denn auch das war etwas, das in den SPIDER-MAN-Comics bis dato undenkbar gewesen wäre. Peter Parker ist ein Mann von hoher moralischer Integrität, aber als er seine Schläge voll durchzieht und Carter ins Jenseits prügeln will, ist es pure Rachsucht, die ihn beseelt. Es ist der Schmerz über den gewaltsamen Verlust, der seine Aggression beflügelt. Eine Figur wie Spider-Man darf freilich nicht töten. Er ist nicht der Punisher. Er hat einen moralischen Ehrenkodex, der dem Supermans gleichkommt. Er ist die Verkörperung dessen, was am klassischen Superhelden gut und imposant ist. Ihn darum die Kontrolle verlieren zu sehen, ist extrem effektiv. Und hat nicht nur einen jungen Geist wie den meines jüngeren Ichs damals enorm beeindruckt. Er dürfte auch einige Autoren inspiriert haben, die im Lauf der Jahre immer mal wieder mit dem Verlieren dieser Kontrolle spielten.
David brachte später noch ein Sequel – mit einem zwar freien, aber völlig gebrochenen Stan Carter, der bereut und nur eine Möglichkeit sieht, wirklich Buße zu tun – zwei Seiten dieser Geschichte finden sich auch in SPIDER-MAN PAPERBACK 9: ZEIT DER SÜHNE (17 Euro). Der Comic bringt den Sin-Eater zurück. Der Psychopath mit der Maske und der Schrottflinte jagt wieder Sünder, und Spider-Man muss den aus der Hölle Zurückgekehrten besiegen. Das Problem: Nick Spencers Geschichte ist durchaus stimmig und sorgt für einen Sin-Eater-Kult, aber sie zeigt auch auf, was mit den amerikanischen Superheldengeschichten oft nicht in Ordnung ist. Eine Figur wie der Sin-Eater, der in zwei Geschichten vor Jahrzehnten seinen Anfang und sein Ende fand, sollte nicht zurückkehren – übernatürlicher Hokuspokus passt nicht und die neue Motivation des Sin-Eaters steht auch der Läuterung kurz vor seinem Tod im Weg. Also: Spannend zu lesen, aber letztlich etwas ärgerlich.