Als Marvel Studios im Jahr 2008 Iron Man in die Kinos schickte, konnte noch niemand ahnen, dass das Gesicht modernen Kinos gänzlich verändert werden würde. Sequels, Reboots und Remakes, manchmal auch Spin-offs, damit kannte sich Hollywood aus. Aber Marvel Studios ging die Produktion seiner Filme ebenso an wie Marvel die Produktion der Comic-Hefte. Man erschuf ein „shared universe“, in dem man Filme und später Serien für sich betrachten kann, beim Verfolgen aller Produktionen aber ein ungleich größeres Gesamtbild entsteht.
Diese Formel haben seitdem viele Studios zu imitieren versucht – mit mehr oder minder großem Erfolg.
Filme und Serien mit Marvel-Helden gab es natürlich auch vorher schon, aber an ein gemeinsames Universum hätte nie jemand gedacht, auch weil die Filmrechte querbeet über die verschiedenen Studios verteilt gewesen sind. Aber wie hätte eigentlich ein MCU der 1970er und 1980er Jahre ausgesehen?
Im Jahr 1977 startete die Serie Der unglaubliche Hulk (bei RTLplus damals noch: Der unheimliche Hulk) mit Bill Bixby und Lou Ferrigno als David Banner und der Hulk. Im selben Jahr debütierte die Serie The Amazing Spider-Man mit Nicholas Hammond, die es hier nur als Zusammenschnitt einiger Folgen mit drei „Filmen“ in die Kinos schaffte. 1978 folgte der Fernsehfilm Dr. Strange, der eigentlich auch als Startschuss für eine Serie geplant war – nur nahm der Sender angesichts der Einschaltquoten Abstand. In den Jahren 1979 gab es dann noch zwei Fernsehfilme mit Captain America, gespielt von Reb Brown.
Mit Ausnahme von Spider-Man wurden diese Helden übrigens alle von Universal Television umgesetzt. Ein Treffen wäre als theoretisch denkbar gewesen. In Serien jener Dekaden kam es schon mal vor, dass eine Figur der einen bei einer anderen auftauchte, wenn die Produzenten dieselben waren. Aber es war selten und es war ein Gimmick, um Einschaltquote zu machen.
Man hätte aber im Grunde Captain America, den Hulk und Dr. Strange kombinieren können – immerhin drei Figuren, die auch heute Avengers sind.
Von 1988 bis 1990 produzierte man noch drei Fernsehfilme mit dem Hulk, bei dem es auch Gaststars gab: Daredevil und Thor. Außerdem tauchte eine Agentin auf, die zwar nicht so hieß, aber im Grund die Black Widow war. An diesem Punkt hätte man schon sechs Avengers gehabt. Allein, es fehlte der Mut und die Vision, mehr daraus zu machen.
Im Kino gab es in den 1980er Jahren mit Howard the Duck eine stark gefloppte Großproduktion und mit The Punisher mit Dolph Lundgren einen wohlgelittenen B-Action-Film. Beide allerdings nicht wirklich tauglich für ein „shared universe“.
Die größte Schwierigkeit für ein MCU der 1970er und 1980er wäre nicht gewesen, die Helden aufeinander treffen zu lassen. Vielmehr, sie auch einen würdigen Gegner haben zu lassen. Denn die Serien und Fernsehfilme waren ziemlich arm an echten Superschurken. David Banner zog Folge für Folge durchs Land, der Hulk bekam es aber nur mit Gaunern und Militärs zu tun, das Höchste der Gefühle bei Spider-Man war ein Kampf gegen Kampfsportler, und auch Dr. Strange und Captain America hatten es mit Normalsterblichen zu tun.
Dies ist ein grundsätzliches Problem der Superhelden-Geschichten jener beiden Dekaden. Sie versuchten, bodenständig zu bleiben, das hieß aber auch, dass die phantastischen Fähigkeiten der Helden im Grunde völlig verschwendet waren. Um sie alle überhaupt zusammenzuführen, hätte es einer großen Geschichte bedurft, wie sie etwa Marvel’s The Avengers bot. Loki als Katalysator, aber so etwas gab es nicht.
Die Effekte waren natürlich auch nicht auf dem Stand, dass das einigermaßen gut ausgesehen hätte. Selbst im Kino wäre es in den 1970er Jahren eine echte Herausforderung gewesen, einen auch nur halbwegs passablen Avengers-Film abzuliefern. In den 1980er Jahren hätte das etwas anders ausgesehen, das Fernsehen hinkte aber immer noch budgetbedingt hinterher.
Und doch ist es eine faszinierende Spekulation, wie ein Film ausgesehen hätte, in dem der Hulk, Spider-Man, Thor, Captain America, Dr. Strange, Daredevil und Black Widow der 1970er und 1980er Jahre ein fulminantes Abenteuer ausgefochten hätten. Es gibt Fan-Made-Trailer, die mit Material verschiedener Filme arbeiten, um einen Eindruck davon zu geben.
Aber eines ist auch klar – nichts davon hätte auch nur halbwegs so ausgesehen, wie heutige Filme. In ihrer Naivität und technischen Unbedarftheit hätte ein solcher Avengers-Film aber sicherlich seinen Reiz gehabt, so wie die Marvel-Serien der 1970er Jahre heutzutage auch noch mit sehr viel Charme daherkommen. Natürlich schlabbern die Kostüme, aber eine Geschichte, in der die Avengers der 1970er und 1980er Jahre gegen einen Loki oder einen galaktischen Eroberer á la Thanos kämpfen, hätte schon für reichlich Spaß gesorgt – zumindest bei den Kids jener Dekade.
In den 1990er Jahren gab es hier und da Versuche, Marvel-Figuren ins Kino zu bringen, sie scheiterten aber mehrheitlich, so Captain America (1990), der niemals veröffentlichte Fantastic Four (1994), der dem X-Men-Universum zugehörige Fernsehfilm Generation X (1996) und Nick Fury: Agent of S.H.I.E.L.D. (1998) mit David Hasselhoff. Nur Blade (1998) war wirklich erfolgreich.
Man musste bis zum neuen Jahrtausend waren – da hatten die Effekte endlich mit den kühnen Visionen der Comics aufgeholt und auch die Kostüme waren endlich cool. Zuvor sahen Superheldentreffen aus, wie bei diesem Fernsehfilm von der Marvel-Konkurrenz DC: Justice League (einige Szenen gibt es hier).