Die Idee für Nocterra hatte Snyder bereits vor ein paar Jahren. Er erinnerte sich daran, wie er als Kind Angst vor der Dunkelheit hatte. Nachts wachte er schweißgebadet auf und fühlte totales Entsetzen. Als Kind konnte er das nicht zuordnen, später schon. Er hatte Angstzustände, und als er diese bei seinem eigenen Kind wiedersah, kam ihm die Idee, eine Geschichte über die Dunkelheit zu machen, nur dass sich in ihr echte Monster und Gefahren befinden würden. Er fragte sich selbst: „Was, wenn ich eine Geschichte über die Finsternis schreibe, die die ganze Welt umspannt, und die erschreckender und gruseliger ist, als alles, was man sich als Kind vorstellt?“
Ein beeindruckendes Element der Geschichte sind die Monster. Sie sind nicht wie Zombies, die einfach alles töten wollen. Vielmehr hat die Dunkelheit ein eigenes Ökosystem hervorgebracht, in dem der Mensch einfach keinen Platz mehr hat. Das Ziel war, der Serie das Gefühl zu verleihen, dass die Welt sich weiterentwickelt, nur ohne den Menschen.
Bei der Gestaltung der Monster verließ sich Snyder vor allem auf seinen Kompagnon Tony S. Daniel. Anders als bei etablierten Superhelden gab es nichts, worauf man achten musste, die Welt konnte von Grund auf entstehen. Daniel leistete dabei einige Design-Arbeit. Snyder und er besprachen, wie die Monster wirken sollten, und er setzte sie um. Interessant ist das Design von Blacktop Bill, der Val und ihre „Fracht“ jagt. Seine Silhouette ist völlig schwarz, ohne Kontur. Nur den Mund mit den Zähnen kann man sehen. Er erinnert ein wenig an Mr. Nobody aus Doom Patrol.
Überhaupt ließ Snyder sehr viel in diesen Comic einfließen: Die postapokalyptische Stimmung eines Mad Max, die Gefahren eines Dawn of the Dead, und selbst Larry McMurtrys mit dem Pulitzer Preis ausgezeichnetem Roman Lonesome Dove erweist er die Reverenz. Denn der alte Mann, den Val transportiert und der ein Geheimnis mit sich trägt, das mit der Verdunklung der Welt zu tun hat, trägt den Namen Augustus McCrae. Fans von Lonesome Dove werden ihn sofort erkennen. So hieß der alte Texas Ranger, der mit seinem Kumpel Woodrow Call auf ein letztes großes Abenteuer geht. In der Verfilmung Der Weg in die Wildnis wurde McCrae von Robert Duvall gespielt. Die Figur im Comic sieht ihm gar nicht so unähnlich.
In Deutschland erscheint Nocterra bei Cross Cult, in den USA war es Image. Snyder hat dafür jedoch einen eigenen Imprint erschaffen: Best Jacket Press. Die Überlegung dahinter ist klar: mehr Freiheit. „Ich liebe DC, Image und all die anderen Verlage, bei denen ich publiziert habe, aber die Freiheit, Comics mit Freunden und anderen Kreativen zu machen und dann zu entscheiden, wo man damit hingeht, gefällt mir. Es ist einfach anders. Bei Nocterra haben Tony und ich den Comic entwickelt und waren völlig frei in unseren Entscheidungen, auch dahingehend, ob wir eine Graphic Novel machen oder eine fortlaufende Serie. Diese Entscheidungen liegen jetzt bei uns. Damit erreicht man echte Kontrolle. Sie sind von der kreativen Seite diktiert und haben einen profunden Effekt auf den Comic. Man begibt sich da auf ganz neue Pfade – und das liebe ich.“
Nocterra ist dabei nur der Anfang. Snyder plant tatsächlich Großes und will Best Jacket Press schon bald sehr viel größer aufziehen: „Wir haben eine ganze Reihe von Comics, die wir über das nächste Jahr hinweg ankündigen werden. Es werden acht oder neun Comics basierend auf Skripten, die ich über die Jahre hinweg geschrieben habe.“
Es ist der folgerichtige Schritt. Snyder wurde bei DC zum Autor-Superstar – und das nicht nur mit Batman, sondern auch mit eigenen Geschichten wie American Vampire. Darauf muss irgendwann die nächste Karrierestufe gezündet werden. Denn bei den großen Verlagen hat man nie die gänzliche Kontrolle, während er mit seinem eigenen Label tun und lassen kann, was er will und natürlich auch weit stärker die Früchte seiner Arbeit ernten kann. Nocterra ist ein starker Auftakt. Man darf gespannt sein, was als nächstes von Best Jacket Press kommt. In Deutschland erscheint der zweite Band von Nocterra im Oktober.