Im Juni 1992 präsentierte Carlsen ganze 18 Titel in nur einem Monat. Das Programm wuchs immer weiter, aber die Probleme wurden deutlich. Denn längst war Carlsen nicht mehr der einzige Spieler auf dem Feld. Ehapa hatte ein ambitioniertes Alben-Programm gestartet, Bastei war auch auf den Zug aufgesprungen und zahlreiche kleinere Verleger wollten ebenfalls ein Stück vom Kuchen ab. Das Ergebnis war ein Überangebot, das von den Käufern gar nicht mehr aufgenommen werden konnte, da Budgets für Hobbys natürlich endlich sind. Zudem kam der puren Masse wegen auch immer mehr Massenware auf den Markt.
Das Ergebnis war, dass viele Serien – besonders für Großverlage – nicht mehr kostendeckend waren und eingestellt wurden. Das wiederum verschreckte die Kunden, die viel Geld investiert hatten, aber dann auf Serien sitzenblieben, die nicht mal abgeschlossen wurden. Es war ein Teufelskreis, der sich zur Mitte der 1990er Jahre selbst befeuerte und zu einer Flurbereinigung führte.
Auslöser für den Manga-Boom, der auch heute noch anhält, war Dragonball, das noch von Knigge ins Programm genommen worden war, aber unter Joachim Kaps‘ Ägide, der im Juni 1998 Cheflektor und im April 2001 Verlagsleiter Carlsen Comics wurde, für bahnbrechende Erfolge sorgte. Nach etwa zwei Jahren hatte man von den Taschenbüchern mehr als eine halbe Million Exemplare verkauft.
Das Programm wurde darum deutlich aufgestockt und nahm an Wichtigkeit immer mehr zu. Reisen nach Japan, um neue Lizenzen zu erwerben, wurden wichtiger, als die Vertragspartner in Frankreich. Obwohl günstiger – oder vielleicht gerade deswegen – wurde mit den Mangas deutlich mehr verdient, zumal man eine ganz neue Leserschaft an Comics heranführte. Niemals zuvor waren so viele Mädchen Comic-Leser.
Joachim Kaps nahm sich schließlich einer neuen Herausforderung an und baute den deutschen Ableger von Tokyopop auf, während Kai-Steffen Schwarz die Leitung von Carlsen Manga übernahm. Mittlerweile haben die Mangas bei Carlsen den anderen Comics ohnehin den Rang abgelaufen. Es ist heutzutage so, wie es mit den Frankobelgiern Ende der 1980er, Anfang der 1990er Jahre war. Die Goldgräberstimmung war wieder da und das Programm von Carlsen, aber auch Konkurrenten wie Egmont und Panini wuchs gewaltig an, aber in einem Hinblick ist es anders. Diesmal scheint es keine Blase zu sein. Vielmehr hat sich der Markt mit den Mangas konsolidiert.
Den klassischen Comic wollte man aber auch nicht ganz aufgeben. Die Produktion frankobelgischer Titel wurde aber abseits der seit Jahrzehnten laufenden Klassiker mehrheitlich zurückgefahren, dafür versuchte man sich im Bereich der Graphic Novel, mit der man hoffte, den Buchhandel stärker involvieren zu können, da über feuilletonistische Besprechungen der Titel auch Leser akquiriert werden sollten, die ansonsten mit Comics nichts am Hut haben, sich aber für hehre Kunst begeistern können. Ein durchschlagender Erfolg war diese Initiative aber nicht, da die Verkäufe pro Titel sehr schwankten, wie auch die Konkurrenz von Egmont feststellen musste, die ein eigenes Label gegründet hatte, das aber auch sehr schnell wieder einstampfen musste.
Über zehn Jahre hinweg hatte Ralf Kleiser die Geschicke von Carlsen Comics geleitet, im Januar 2014 übernahm dann jedoch Klaus Schikowski. Aber auch er ist Zwängen unterworfen, die in einem Großverlag nun mal herrschen, da auch in enger Abstimmung mit den Vertretern gearbeitet werden muss, die die neuen Titel den Buchhandlungen schmackhaft machen müssen und bisweilen sehr sicher sind, dass manches nicht läuft. An solchen Diskussionen hatte sich schon Joachim Kaps die Zähne ausgebissen, als er versuchte, die Autorenpflege etwas stärker zu forcieren und bei schlecht laufenden Titeln einen etwas längeren Atem einforderte.
Aber die Zeiten ändern sich, und so auch die Carlsen-Programmatik. Im Gespräch mit Volker Hamann erklärte Schikowski zu Beginn seiner Tätigkeit für Crlsen: „Wenn ich über Schwerpunkte von Carlsen für die 2010er Jahre nachdenke, kann ich das am besten unter dem Oberbegriff »Relaunch« zusammenfassen. Also die Pflege von Autoren, die entweder schon lange bei Carlsen sind oder in der letzten Zeit dazugekommen sind. Wir gucken also, was gibt oder gab es von denen und prüfen eine deutsche Ausgabe, etwa von Stanislas oder Olivier Schwartz. Das finde ich persönlich gut und wichtig.“
Ein Verlag, der derartig lange am deutschen Comic-Markt mitgemischt hat, kann sich aber natürlich nicht nur auf das Althergebrachte besinnen, sondern benötigt auch neue Akzente. Das ist auch in den letzten Jahren mit einem sehr diversen Programm gelungen.